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Interview: "Professor Cassian Schmidt – „Lebendige Vielfalt zeichnet den zeitgemäßen Garten aus!“

Professor Cassian Schmidt ist Landschaftsarchitekt und Staudengärtnermeister. Er leitet seit 1998 den Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof in Weinheim und hat eine Professur an der Geisenheim University im Fach Pflanzenverwendung. Dem BGL gibt er ein Interview, das wir interessant finden und das Impulse für Gartenbesitzer und Bauherren gibt. Die Staudenwelt ist so vielfältig, dass man schon bei der Planung mit unterschiedlichen Farbthemen, Blühhöhepunkten und Pflegeansprüchen arbeiten kann. Nicht einfallsloses Einheitsgrün, sondern lebendige Pflanzenvielfalt sollte den heutigen Garten auszeichnen, so Schmidt.

Professor Cassian Schmidt ist Landschaftsarchitekt und Staudengärtnermeister.
Professor Cassian Schmidt ist Landschaftsarchitekt und Staudengärtnermeister.

Der typische Besucher des Hermannshofs: Ist das eher der Gartenliebhaber oder der Profi? Männlich oder weiblich?

Schmidt: Wir wissen das sogar ziemlich genau, denn wir haben vor ein paar Jahren in Zusammenarbeit mit dem Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt, eine wissenschaftliche Untersuchung zu unseren Besucherinnen und Besuchern gemacht. Die Ergebnisse waren durchaus erstaunlich: Überwiegend besuchen uns Menschen, wir der der gehobenen Mittelschicht zuordnen können. Knapp 75 Prozent verfügen über einen eigenen Garten, 15 Prozent haben immerhin einen Balkon. Offensichtlich ist das Gärtnern genauso wie ein Gartenbesuch eher eine Domäne der Frauen, denn ihr Anteil liegt bei über 70 Prozent. Es besuchen uns sicher auch viele Fachleute, aber die Mehrzahl sind gut vorgebildete und sehr interessierte Hobbygärtnerinnen und -gärtner, für die neben der Erholung vor allem der Aspekt der Weiterbildung ein wesentliches Besuchsmotiv ist. Wer hierher kommt, will nicht nur schöne Pflanzungen sehen, sondern sich auch konkrete, gelungene Staudenkombinationen notieren, die man zuhause umzusetzen versucht. Dabei interessieren zunehmend klimawandeltaugliche und insektenfreundliche Konzepte und Lösungen für schwierige Standorte wie beispielsweise den trockenen Schatten. Unsere zentrale Aufgabe im Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof ist es, gut gestaltete, nachhaltige und im Idealfall pflegereduzierte Pflanzbeispiele für verschiedene Gartensituationen zu zeigen und klimataugliche, robuste Stauden und Gehölze für unsere wärmebegünstigten Gebiete im Oberrheintal zu prüfen und zu verwenden.

Wie finden Sie die „richtigen" Pflanzkombinationen oder - besser gesagt - gibt es die überhaupt?

Schmidt: Zuerst einmal gehört dazu natürlich ständiges Ausprobieren und viel Erfahrung. Bei mir sind das ja inzwischen fast 40 Jahre in der grünen Branche, zunächst als Landschaftsgärtner, dann als Staudengärtner und später als Landschaftsarchitekt. Im Hermannshof habe ich den Vorteil, die Veränderungen in den Pflanzungen täglich beobachten zu können. Zugute kommen mir auch meine vielen Reisen an die Naturstandorte. Da hatte ich schon viele überraschende Einsichten. Man kann sogar sagen, erst durch diese Bilder an den Ursprungsstandorten habe ich so manche Pflanze richtig kennen und verstehen gelernt: beispielsweise, dass die Prachtscharte (Liatris spicata) in der Prärie in feuchten Senken zusammen mit Seggen steht. Unser Ziel im Hermannshof ist es tatsächlich, für jeden Standort perfekt zugeschnittene Pflanzenkombinationen zu konzipieren, zu testen und zu optimieren. Es gibt natürlich nicht nur die eine perfekte Lösung. Stattdessen gilt: Die Staudenwelt ist so vielfältig, dass ich jeweils mehrere Varianten entwickeln kann, zum Beispiel mit unterschiedlichen Farbthemen, Blühhöhepunkten und Pflegeansprüchen. Nicht einfallsloses Einheitsgrün, sondern lebendige Pflanzenvielfalt sollte den heutigen Garten auszeichnen.

Wie verändert der Klimawandel die Sortimente in den Gärten und ganz konkret bei Ihnen im Hermannshof?

Schmidt: Wir haben uns schon vor 20 Jahren mit stresstoleranten, trockenheitsverträglichen Staudenkombinationen beschäftigt, als das Schlagwort „Klimawandel" noch gar nicht in aller Munde war.Durch meine Gärtnerzeit in den USA - ich war damals 23 Jahre alt - hatte ich die Vorteile der nordamerikanischen Präriestauden schon früh kennen gelernt. Das wurde dann später ein zentrales Thema meiner Überlegungen und Versuche für ein attraktiveres Stadtgrün. Aber auch aus anderen Regionen mit trockenen Sommern, wie beispielsweise den Steppengebieten Südosteuropas und Mittelasiens oder den Bergregionen der Mittelmeerländer, versuche ich zukunftsträchtige, klimataugliche Pflanzen aufzuspüren und in Konzepten zu verwenden. Das hat auch die Sortimente der Staudengärtnereien ganz wesentlich verändert. Heute sind beispielsweise Präriestauden ein fester Bestanteil in den Gärtnereien geworden und finden auch im GaLaBau sowohl in öffentlichen wie in privaten Grünflächen vermehrt Verwendung.

Nochmal nachgefragt: Sind stresstolerante Pflanzen für Gartenliebhaber ein Qualitätskriterium?

Schmidt: Ja, unbedingt. Gerade in den letzten Jahren hat meiner Meinung nach sowohl auf Kunden- also auch auf Produzentenseite ein Umdenken hin zu mehr Natürlichkeit eingesetzt. Heute zählen eben nicht mehr allein die üppigen Blüten, sondern vielmehr die inneren Werte einer Pflanze: Dazu gehören die Stresstoleranz, die Resilienz und die Dauerhaftigkeit. Der ungekünstelte Charme von heimischen wie exotischen Wildpflanzen mit einfachen Blüten und Nutzen für die Insektenwelt steht hoch im Kurs. Derzeit „hinkt" aber Angebot auf Produzentenseite meiner Einschätzung noch etwas hinterher.

Sie sind Vorsitzender des „Arbeitskreises Pflanzenverwendung". Geben Sie auch Tipps oder Empfehlungen für Landschaftsgärtnerinnen und -gärtner heraus?

Schmidt: Ja, im Arbeitskreis Pflanzenverwendung des BdS, dessen Vorsitzender ich seit 2004 bin, widmen wir uns seit vielen Jahren genau diesen praktischen Empfehlungen. Ein wesentlicher Ansatz sind reproduzierbare, über mindestens fünf Jahre an mehreren Versuchsstandorten getestete und für verschiedene Standorte optimierte Staudenmischungen, die Anwendungssicherheit für den Landschaftsgärtner bieten.

Inzwischen gibt es gut 45, vom Arbeitskreis wissenschaftlich geprüfte Mischpflanzungskonzepte für diverse Einsatzbereiche, von trockenen Schattenbereichen und Baumscheiben über attraktive Lösungen für Gehölzränder bis hin zu Empfehlungen für trockene, magere und vollsonnige Standorte im privaten wie im öffentlichen Grün, beispielsweise auf Kreisverkehrsflächen und Straßeninseln. Hierzu gibt es auch einen speziellen FLL-Fachbericht mit Ausschreibungstexten für Pflanzung und Pflege, den wir erarbeitet haben. Zur GalaBau in Nürnberg wurden jeweils besondere Broschüren zu diesen Themen herausgeben, die auch auf der Homepage www.staudenmischungen.de mit Pflanzenlisten, Pflegetipps und Lieferbetrieben abrufbar sind oder über den BdS bestellt werden können. Aktuell beschäftigen wir uns mit den Themen „Pflanzen für Versickerungsmulden", „Insektenfreundliche Staudenkombinationen" und „Gehölz-Stauden-Mischungen" („Coppicing").

Textursprung: BGL

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